Topische Medikamente für neuropathische Schmerzen

Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen werden klassischerweise Medikamente eingesetzt, welche die Nerven „beruhigen“. Typischerweise handelt es sich dabei um Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) und Antiepileptika (z.B. Pregabalin). Bei vielen Patienten lassen sich die Schmerzen damit gut lindern. Diese Medikamente haben jedoch einen großen Nachteil: Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Energielosigkeit, Benommenheit und Schwindel sind sehr häufige Nebenwirkungen.

Warum ist das so?

Die Wirksamkeit dieser Medikamente beruht darauf, dass sie allgemein die Nervenaktivität herabsetzen. Sie werden weniger empfindlich. Dadurch werden zwar schmerzweiterleitende Nerven beruhigt und Schmerzen reduziert. Gleichzeitig werden aber auch alle anderen Nerven etwas „langsam“. Entsprechend sind Nebenwirkungen wie Energielosigkeit und Müdigkeit nachvollziehbar.

Wie Patienten auf Psychopharmaka reagieren unterscheidet sich enorm. Manche Personen bekommen kaum Nebenwirkungen, aber eine exzellente schmerzstillende Wirkung, während andere sich fühlen wie ein Zombie, obwohl die Schmerzen nicht besser werden.

Entsprechend haben zwar nicht alle Patienten merkbare Nebenwirkungen, aber viele empfinden sie als sehr einschränkend und bevorzugen daher alternative Schmerztherapien.

Äußerliche Medikamente: geringere Nebenwirkungen

Topische Medikamente sind Medikamente, die lokal, von außen wirken, also zum Beispiel ein Pflaster oder eine Creme, die auf die Haut aufgetragen wird. Da sie nur an der entsprechenden Stelle wirken, haben sie sehr viel weniger Nebenwirkungen als orale Medikamente, welche den gesamten Körper beeinflussen.

Der Vorteil ist jedoch gleichzeitig auch der Nachteil von äußerlichen Medikamenten: Sie eignen sich nur für lokal begrenzte und oberflächliche Schmerzen. Tiefer liegende Schmerzen können mit topischen Medikamenten nicht behandelt werden, da sie nicht so weit reichen. Für großflächige Schmerzen sind sie ebenfalls nur begrenzt geeignet. Wenn äußerliche Medikamente über weite Körperpartien eingesetzt werden (beispielsweise gesamte Gliedmaßen), dann kann trotzdem eine große Menge ins Blut gelangen, die körperweite Nebenwirkungen verursachen kann.

Ein weitere Vorteil topischer Medikamente ist, dass es zu weniger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommt. Dies ist vor allem für Leute von Vorteil, die viele Medikamente einnehmen.

Häufig eingesetzte topische Medikamente bei neuropathischen Schmerzen

Lidocain

Lidocain ist ein lokales Betäubungsmittel. Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen verwendet man ein Pflaster, das 700 mg Lidocain enthält. Patienten können das Pflaster selbst anlegen, indem sie es auf die schmerzenden Stellen kleben. Es wird täglich ein neues Pflaster verwendet, das bis zu 12 Stunden auf der schmerzenden Stelle gelassen wird.

Lidocain wirkt besonders gut bei Nervenschmerzen in Folge von Gürtelrose. Es ist aber auch bei diabetischer Neuropathie wirksam und die Zahl der Patienten, die auf Lidocain-Therapie ansprechen ist mit einer Therapie mit Pregabalin vergleichbar.[1] Pregabalin ist ein orales Antiepileptikum, das sehr häufig zur Behandlung von Neuropathie verwendet wird. Nebenwirkungen sind bei Lidocain wesentlich seltener und milder als mit Pregabalin.

Die längsten Studien, die mit Lidocain durchgeführt wurden, gingen jedoch nur über 12 Wochen. Deswegen ist schwer zu sagen, wie gut Lidocain langfristig Schmerzen reduziert und ob der Effekt mit der Zeit nachlässt.

Lidocain wirkt gut bei Patienten mit lokalen Schmerzen, mit erhöhter Schmerzempfindlichkeit und lokalen Missempfindungen.

Capsaicin

Capsaicin kommt in Paprika und Chilis vor und ist für die Schärfe von Chilis verantwortlich. Capsaicin aktiviert Schmerzrezeptoren, die bei konstanter Stimulation schnell unempfindlich werden. Dadurch lässt das Schmerzempfinden nach.

Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen verwendet man ein Pflaster, das 179 mg Capsaicin enthält.[2] Das ist eine sehr hohe Konzentration, weswegen das Pflaster von einem Arzt angelegt werden muss. Es wird für 60 Minuten auf der schmerzenden Stelle gelassen, bzw. auf den Füßen nur für 30 Minuten. Ein großer Vorteil des Capsaicin-Pflasters ist, dass es nur alle 3 Monate angelegt werden muss und in der Zwischenzeit hält der schmerzlindernde Effekt an.

Es gibt auch niedriger konzentrierte Capsaicin-haltige Cremes, die du zu Hause selbst auftragen kannst. Da die Konzentration sehr viel niedriger ist als bei dem Pflaster muss es jedoch mehrmals täglich aufgetragen werden. Zudem ist die Wirksamkeit nicht so gut nachgewiesen wie bei dem wirkstoffstärkeren Pflaster.

Das Capsaicin Pflaster reduziert neuropathische Schmerzen vergleichbar mit Pregabalin. Die Schmerzlinderung tritt jedoch mit Capsaicin wesentlich schneller ein und Nebenwirkungen sind wesentlich milder als mit Pregabalin.[3]

Capsaicin-Therapie ist bei denjenigen Patienten am erfolgreichsten, die noch nicht lange (weniger als 6 Monate) unter neuropathischen Schmerzen leiden. Eine Therapie mit Capsaicin sollte also frühestmöglich beginnen. Außerdem sprechen Patienten, bei denen das Hitzeempfinden nicht beeinträchtigt ist, gut auf Capsaicin an.

Menthol

Menthol bindet an Kälterezeptoren, was bei konstanter Stimulation das Schmerzempfinden herabsetzt.

Menthol wird zwar nicht offiziell zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt, aber es gibt einige Studien, die darauf hinweisen, dass es bei lokalen neuropathischen Schmerzen wirksam ist.[4],[5]

Ob dir Menthol hilft, ist schwer vorherzusagen, aber da Menthol ungefährlich ist, gehst du damit kein Risiko ein. Menthol-Gel bekommst du rezeptfrei in der Apotheke. Ein Tipp ist, ein Gel zu wählen, was im Kühlschrank aufbewahrt werden kann, da die Kälte einen zusätzlichen schmerzstillenden Effekt haben kann, auch wenn er nur kurz anhält.

In bestimmten Fällen nützlich, aber unklare Langzeitwirkung

Topische Medikamente können für Patienten mit oberflächlichen neuropathischen Schmerzen eine wirksame Therapie mit wenig Nebenwirkungen darstellen. Die Langzeitwirkung dieser Medikamente ist jedoch noch nicht eindeutig erwiesen.

Willst du Hilfe zu weiteren möglichen Therapieoptionen für neuropathische Schmerzen? Dann empfehle ich, dass du dir die Informationen zum meinem Onlinekurs, dem Polyneuropathie Protokoll, durchliest.


Quellen

[1] Baron R, Mayoral V, Leijon G, Binder A, Steigerwald I, Serpell M. 5% lidocaine medicated plaster versus pregabalin in post-herpetic neuralgia and diabetic polyneuropathy: an open-label, non-inferiority two-stage RCT study. Curr Med Res Opin. 2009;25(7):1663-76.

[2] Qutenza (capsaicin) 8% patch. Averitas Pharma. https://qutenza.com/docs/Qutenza_Fact_Sheet.pdf. Abgerufen am 01.03.2019.

[3] Haanpää M, Cruccu G, Nurmikko TJ, et al. Capsaicin 8% patch versus oral pregabalin in patients with peripheral neuropathic pain. Eur J Pain. 2015;20(2):316-28.

[4] Wasner G, Naleschinski D, Binder A, Schattschneider J, McLachlan EM, Baron R. The effect of menthol on cold allodynia in patients with neuropathic pain. Pain Med. 2008 Apr;9(3):354-8.

[5] Cortellini A, Verna L, Cannita K, et al. Topical Menthol for Treatment of Chemotherapy-induced Peripheral Neuropathy. Indian J Palliat Care. 2017;23(3):350-352.