Meine Persönlichen Erfahrungen mit Pregabalin

Lange Zeit habe ich mich dagegen gewehrt, mit einem Medikament wie Pregabalin (Lyrica) gegen meine neuropathischen Schmerzen vorzugehen.

Ich konnte mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sich die meisten Medikamente gegen Neuropathie negativ auf die psychische Leistungsfähigkeit auswirken.[1]  Ich arbeite mit meinem Kopf und zudem lenkt die Arbeit mich von Schmerzen ab. Daher fand ich es kontraproduktiv, ein Medikament einzusetzen, das mich vom Arbeiten abhält.

Zudem hatte ich bereits Gabapentin (Neurontin) ausprobiert und es nicht vertragen. Vor dem Schlafen gehen hatte ich bereits eine 100 mg Kapsel Gabapentin genommen, was eine winzige Menge ist. Am nächsten Tag fühlte sich die Realität komplett „verzerrt“ und seltsam an.

Gabapentin und Pregabalin haben eine sehr ähnliche Wirkungsweise. Daher vermutete ich, dass ich mit Pregabalin die gleichen Nebenwirkungen bekommen würde.

Warum wirkt Pregabalin (Lyrica) gegen neuropathische Schmerzen?

Da sich meine Schmerzen für ein paar Wochen verschlimmerten, wurde ich wieder etwas experimentierfreudiger und   entschloss mich dazu, doch nochmal Medikamente auszuprobieren.

Mein Neurologe empfahl, Pregabalin zu versuchen. Pregabalin ist der generische Name des Wirkstoffs, der Markenname des Medikaments ist Lyrica.

Pregabalin wurde, wie auch Gabapentin, gegen Epilepsie entwickelt. Bei Epilepsie senden die Neuronen im Gehirn wie verrückt Signale aus, als wollten sie ein Feuerwerk veranstalten. Pregabalin hemmt die „Feuerfreudigkeit“ der Nerven, wodurch Anfälle seltener werden.

Pregabalin wirkt zwar ähnlich wie Gabapentin, jedoch vertragen viele Menschen nur eines von beiden Medikamenten. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt, da die genaue Wirkungsweise von beiden Medikamenten bisher noch unklar ist. Wie bei vielen Psychopharmaka sieht man zwar die Wirkung, weiß aber nicht was genau passiert. Das liegt daran, dass wir die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns bisher nur im Ansatz verstehen.

Zwar wurde Lyrica ursprünglich gegen Epilepsie entwickelt, primär wird es mittlerweile jedoch zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt.

Bei neuropathischen Schmerzen ist ein Nerv verletzt, welcher falsche Signale ans Gehirn sendet. Der Nerv wird überempfindlich und reagiert bereits bei leichtester Stimulation mit Schmerzsignalen.

Pregabalin hilft aus dem Grund, weil es den Nerv beruhigt. Es führt dazu, dass Nerven weniger Signale senden, wodurch die Überempfindlichkeit und somit Schmerzen reduziert werden. Zumindest bei den Menschen, bei denen Pregabalin anschlägt.

Warum hilft Pregabalin nur manchen Menschen?

In den letzten Jahrzehnten wurden massive Fortschritte bei der Behandlung von neuropathischen Schmerzen gemacht. Es gibt nun eine Vielzahl an Wirkstoffen, die man zur Behandlung seiner Schmerzen testen kann.

Diese Vielfalt ist wichtig, da nicht jedes Medikament jedem Patienten hilft.

Anzahl notwendiger Behandlungen

In der Medizin wird der Begriff NNT benutzt. Das ist die englische Abkürzung für numbers needed to treat, was auf Deutsch so viel wie „Anzahl notwendiger Behandlungen“ bedeutet. Hiermit wird die Anzahl der Personen bezeichnet, die mit einem Medikament behandelt werden müssen, damit es bei einer Person funktioniert.

Im Vergleich zu vielen anderen modernen Medikamenten ist dieser NNT bei neuropathischen Medikamenten recht hoch. Die meisten eingesetzten Stoffe haben einen NNT zwischen 2 und 5.[2] Das bedeutet, man muss zwischen 2 und 5 Menschen behandeln, damit eine Person eine Schmerzlinderung von mindestens 50 % erfährt. Eine komplette Beseitigung der Schmerzen bei Neuropathie ist selten. Daher nimmt man eine Schmerzlinderung von 50 % als Grenze für ein positives Ergebnis der Medikamenteneinnahme.

Diese hohen NNTs haben zur Folge, dass die meisten Menschen mehrere Medikamente ausprobieren müssen, um das für sie passende zu finden. Insbesondere, da es nicht nur um eine möglichst starke positive Wirkung geht, sondern auch gleichzeitig um geringe Nebenwirkungen. Wenn ein Medikament die Schmerzen zwar ausreichend reduziert, aber zu viele neue Probleme verursacht, dann will man eventuell weitere Medikamente ausprobieren.

Ich weiß, dass ich nichts weiß: Neurochemie

Unser Gehirn ist das komplexeste Organ unseres Körpers.

Wenn man das Gehirn im Groben betrachtet, dann hat es bei jedem Menschen den gleichen Aufbau. Genauso wie jeder gesunde Mensch einen in etwa vergleichbaren Körperbau hat.

Im Detail betrachtet weicht die Bauweise des Gehirns jedoch ab. Das sieht man daran, dass Menschen völlig unterschiedlich auf Psychopharmaka reagieren.  Medikamente, die bei der einen Person super und ohne Nebenwirkungen wirken, machen bei der anderen nur Probleme.

Derzeit liegt mehr über das Gehirn im Dunkeln, als darüber bekannt ist. Gleichermaßen ist bei vielen Psychopharmaka unklar, wie sie eigentlich genau wirken. Das ist der Grund, warum man bei neuropathischen Schmerzen meist mehrere Medikamente testen muss, bis man das für sich richtige findet.

In Zukunft wird man das Gehirn höchstwahrscheinlich besser verstehen. Dann wird man in der Lage sein, jedem Patienten direkt das wirksamste Präparat zu verschreiben. Viele Start-Ups, mit denen ich zusammenarbeite, arbeiten bereits an Technologien dazu.

Derzeit sind wir aber noch in der „Probieren-und-schauen-was-passiert“- Ära.

Manche Medikamente erzielen häufiger positive Resultate als andere

Manche Medikamente helfen bei neuropathischen Schmerzen besser als andere. Deswegen setzt man diese Medikamente zuerst ein. Pregabalin (Lyrica) und Gabapentin gehören zu diesen Medikamenten.

Die Endauswahl basiert meist auf der Präferenz des Arztes. Auch ökonomische Faktoren fließen ein. Pregabalin war bis vor kurzem noch viel teurer als Gabapentin, da es noch Patentschutz hatte, der aber in Deutschland mittlerweile abgelaufen ist.[3] Das teurere Markenmedikament ist Lyrica. Mittlerweile gibt es mehrere günstige Generika, beispielsweise Pregabador und Generika von Ratiopharm.

 

Meine Erfahrung mit Lyrica

Dosierung in der ersten Woche: 75 mg zwei Mal am Tag

Ich habe mir erst einmal eine einzelne Packung Pregabalin gekauft.

In Deutschland ist Pregabalin natürlich verschreibungspflichtig. Ich bin selbst jedoch in der Position, kein Rezept für die meisten Medikamente zu brauchen. Meiner Meinung nach sollte das für jeden gelten. Ich stimme nicht mit der deutschen Standardmeinung überein, dass man Patienten bevormunden sollte. Nach der Argumentation müsste man auch für Alkohol und Koffein ein Rezept verlangen. Aber dieses Thema würde hier nun den Rahmen sprengen. Wie auch immer. Ich habe zunächst erstmal eine einzelne 75 mg Tablette vor dem Schlafengehen genommen. Eigentlich ging ich davon aus, dass Pregabalin mich komplett umhaut und ich am nächsten Tag nichts auf die Reihe kriege.

Ich war erstaunt, als dem nicht der Fall war. Der nächste Tag war völlig in Ordnung. Ich war zwar ein wenig neben der Spur und mir fehlte etwas die Balance beim Laufen. Das war aber so minimal, dass ich es erst draußen auf der Straße merkte und nicht in der Wohnung.

Kombination mit Koffein: ein zweischneidiges Schwert

Nach meiner Morgendosis von 75 mg war ich auf dem Weg zur Arbeit. Auf dem Weg habe ich mir einen großen grünen Tee besorgt. Das Koffein hat die vorhandenen leichten Nebenwirkungen komplett beseitigt.

Im Nachhinein betrachtet war das Koffein jedoch eine schlechte Idee. Es wäre besser gewesen, wenn ich meinem Körper die Chance gegeben hätte, sich an das Pregabalin anzupassen.

In den nächsten Tagen habe ich nämlich weiter Tee und schließlich Kaffee getrunken. Der Körper brauchte immer mehr Koffein, um die (nach wie vor leichten) Nebenwirkungen loszuwerden.

Eine positive Wirkung auf den Schmerz habe ich in der ersten Woche mit 150 mg am Tag noch nicht gespürt.

Erhöhung der Dosis auf 300 mg pro Tag

Nach einer Woche habe ich die Dosis verdoppelt. Anstatt 75 mg Pregabalin morgens und abends habe ich die Dosis auf jeweils 150 mg erhöht.

Schmerzlinderung: Gemischte Gefühle

Selbst mit 300 mg am Tag hat Lyrica mir leider wenige Ergebnisse gebracht.

Lass dich davon bitte nicht entmutigen. Wie bereits geschrieben: Jeder reagiert anders auf Psychopharmaka.

Nach der Erhöhung der Dosis erlebte ich auf jeden Fall eine Phase, in welcher der Schmerz um circa 30 % reduziert war.

Nebenwirkungen von Pregabalin und Koffeinchaos

Ich bekam von Pregabalin starkes Verlangen nach Kaffee, dem ich nicht standhalten konnte. Ich habe mehrere Tassen am Tag getrunken. Normalerweise versuche ich Kaffee zu vermeiden, da es meinen Schmerz verstärkt.

Nach einigen Tagen habe ich trotz des Kaffees angefangen, Nebenwirkungen zu spüren. Nachdem ich die morgendliche Dosis genommen hatte, war ich nach circa einer Stunde wie ausgeknockt. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Zudem hatte ich ein paar Hungerattacken, die sich nicht durch Essen stillen ließen. Ich hatte nach dem Essen einen vollen Magen, verspürte aber trotzdem das Gefühl, als hätte ich seit Tagen nichts gegessen. Dieses Gefühl hielt jeweils etwa 2 Stunden.

Koffein beseitigte das Problem zwar, allerdings vermutete ich, dass es sich um einen Teufelskreis handelte. Ich ließ dem Körper keine Möglichkeit, meine Neurochemie an das Pregabalin anzupassen. Daher reduzierte ich im Laufe einiger Tage die Koffeineinnahme auf eine Tasse Kaffee pro Tag. Und tatsächlich: Die Nebenwirkungen ließen nach.

Vom Regen in die Traufe

Ich hörte dann schließlich mit jeglichem Koffeinkonsum auf. Am zweiten Tag nach dem Absetzen waren die Schmerzen aber nun auf einmal viel stärker, als vor der Einnahme von Pregabalin.  Nachdem ich in mich hineingehorcht hatte, stellte ich fest, dass der Schmerz zwar nicht stärker, aber dafür unangenehmer geworden war.  Zudem hatte ich jegliche Fähigkeit verloren, mit dem Schmerz umzugehen. Es fühlte sich an, als wäre mir jegliche Schmerzresistent abhandengekommen.

Normalerweise kann ich viele Schmerzen ignorieren, indem ich sie als Informationen und nicht als Emotionen betrachte. Ich vermute, das kommt daher, dass ich mich in der Vergangenheit viel mit Techniken zur Selbstkontrolle auseinandergesetzt habe.

Doch diese Fähigkeit war nun auf einmal weg. Stattdessen kreisten meine Gedanken nur noch um die Schmerzen. Das verrückte hierbei ist: Sobald ich Koffein konsumiere, verringert sich der Schmerz leicht und meine Schmerztoleranz normalisiert sich.

Versuchsweise habe ich nach 2 Tagen wieder etwas Kaffee getrunken. Tatsächlich hatte sich meine Schmerztoleranz anschließend normalisiert.

Mir war nun allerdings nicht klar, ob ich diese seltsame Reaktion nur hatte, weil ich meinem Körper keine Zeit gelassen hatte. Vielleicht hätte ich länger auf Koffein verzichten müssen, damit ich mich an das Pregabalin anpasse und den gewünschten Effekt erlebe.

Eine Studie hat gezeigt, dass Koffein den schmerzstillenden Effekt von Gabapentin aufhebt. Wenn das für Gabapentin der Fall ist, dann möglicherweise auch für das ähnlich wirkende Pregabalin.[4]

Vielleicht hat Pregabalin aber auch einfach eine seltsame Wirkung auf mich persönlich und das Koffein hat die Nebenwirkungen beseitigt.

Absetzen von Pregabalin

Leider habe ich es nicht länger als zwei Tage geschafft, die Finger vom Koffein zu lassen. Mir fehlte ohne Koffein einfach jegliche Willenskraft. Ich hätte gerne erfahren, ob Lyrica eine bessere Wirkung auf die Schmerzen gehabt hätte, ohne dass ich mich im Status des Koffeinentzugs befinde.

Sollte ich Pregabalin nochmals testen, dann würde ich von vorneherein auf jegliches Koffein verzichten. Auf diese Weise kann sich der Körper an das Medikament anpassen und ich würde die unverfälschte Wirkung des Medikaments sehen.

Ich habe gemerkt, dass ich es nicht schaffen werde, Pregabalin weiter einzunehmen und gleichzeitig mit dem Kaffee aufzuhören. Daher habe ich das Medikament über einige Wochen hinweg abgesetzt, was auch grundsätzlich kein Problem darstellte.

Nur beim letzten Schritt der Reduzierung bzw. des kompletten Absetzens von Pregabalin habe ich Probleme beim Einschlafen bekommen. Nach ein paar Tagen war aber auch das verschwunden. Für ein paar Wochen hatte ich noch leichte Probleme mit überempfindlichen Schmerzen.

Sämtliche Nebenwirkungen, die ich durch die Einnahme von Pregabalin hatte, ließen während des Absetzens schrittweise nach. Nach dem ich sie komplett abgesetzt hatte, waren sie ganz weg.

Es gibt viele weitere Medikamente gegen Polyneuropathie

Bei Polyneuropathie-Medikamenten gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht:

Die schlechte Nachricht ist, dass jedes einzelne Medikament nur einem kleinen Teil der Betroffenen hilft.

Die gute Nachricht ist, dass es wesentlich mehr Präparate als nur Pregabalin gibt. Somit gibt es viele weitere Alternativen, die du ausprobieren kannst, um deine Schmerzen ausreichend zu lindern.

Zudem sind Medikamente nur eine Möglichkeit, um Polyneuropathie zu behandeln.

Da die Therapie von Polyneuropathie so ein unglaublich breites Thema ist, habe ich mich entschieden, einen kompletten Onlinekurs zu erarbeiten. Im Kurs bespreche ich alle Informationen, die ich mit Experten in meinen Interviews besprochen habe. In erster Linie habe ich mich mit Ärzten, Forschern, aber auch alternativen Therapeuten unterhalten.

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