Ernährung bei diabetischer Polyneuropathie
Die Ernährung spielt eine entscheidene Rolle, um Diabetes in den Griff zu bekommen, einschließlich ihrer Folgen, wie Polyneuropathie.[1]
Jedoch herrscht Uneinigkeit darüber, welcher Weg bei der Ernährung am besten geeignet ist.
Kohlenhydrate, oder Fett als Diätgrundlage bei Polyneuropathie?
Ein zentraler Streitpunkt ist, was besser geeignet ist: eine fettarme, oder eine kohlenhydratarme Ernährung.
Diabetikern wird häufig empfohlen, durch eine geringere Kalorienaufnahme und mehr Bewegung Gewicht zu reduzieren. Dabei wird übersehen, dass der Diabetes und das damit assoziierte Übergewicht eine Folge eines deregulierten Hormonhaushalts ist, der sich nicht einfach durch eine Kalorienrestriktion ins Gleichgewicht bringen lässt.
Da Fett der kalorienreichste Makronährstoff ist, bedeutet eine kalorienarme Ernährung eine fettarme Ernährung. Das führt jedoch unweigerlich zu einem gesteigerten Konsum an zuckerhaltigen Lebensmitteln und Kohlenhydraten, was den Blutzucker stark einsteigen lässt.
Im Gegensatz dazu lässt sich mit einer kohlenhydratarmen Ernährung die Insulinausschüttung und somit die unterliegende Insulinresistenz verringern. Solch eine Ernährungsweise ermöglicht es innerhalb weniger Monate den Hämoglobin A1c und Nüchterninsulinwert zu senken und gleichzeitig Diabetesmedikamente zu reduzieren oder abzusetzen.[2],[3],[4],[5]
Eine fettarme Ernährung ist oft die erste Empfehlung, wenn Gewicht reduziert werden soll. Bei genauerer Betrachtung erscheint jedoch im Gegensatz eine kohlenhydratarme, fettreiche Ernährung sinnvoller, da der Blutzuckerspiegel stabilisiert wird.
Offizielle Ernährungsempfehlungen
Inwieweit unterstützen offizielle Ernährungsempfehlungen eine Reduktion der Kohlenhydrate, um den Bedarf an Insulin zu senken und somit Insulinresistenz entgegenzuwirken?
Diabetes Deutschland
Diabetes Deutschland, welches von 52 Diabetesexperten vertreten wird, empfiehlt bei Diabetes (Typ 1 und 2) 45-60% des täglichen Energiebedarfs durch Kohlenhydrate zu decken. In Ausnahmefällen, bei unzureichender glykämischen Kontrolle ist eine Kohlenhydratreduktion auf 45% des Energiebedarfs zu empfehlen. Außerdem der Hinweis, dass Diabetiker Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index und hohen Ballaststoffanteil bevorzugen sollten.[6] Ein niedriger glykämischer Index schützt jedoch nicht vor fortschreitender Insulinresistenz, wenn nicht auch die glykämische Last verringert wird.[7],[8] Zudem liegt der glykämische Index der für Diabetiker empfohlenen Vollkornprodukte meist nur geringfügig unter der entsprechenden Variante aus Weißmehl.[9]
Gleichzeitig sieht Diabetes Deutschland das Verbot von Zucker und Süßwaren, sowie eine unnötig starke Begrenzung von Kohlenhydraten als zwei häufige Fehler in der Ernährungstherapie von Diabetikern an.[10]
Deutsche Gesellschaft für Ernährung
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat ähnliche Empfehlungen bezüglich der Kohlenhydratmenge und des glykämischen Indexes, aber immerhin ist die empfohlene maximale Dosis von 50g freiem Zucker pro Tag niedrig angesetzt.[11] Da selbst vielen herzhaften Lebensmitteln Zucker zugesetzt ist, wird diese Höchstmenge jedoch auch leicht ohne den Konsum von expliziten Süßwaren erreicht.
National Health Service Großbritannien
In Großbritannien, verweist der National Health Service (NHS) auf die Ernährungsempfehlungen der Diabetesorganisation Diabetes UK.[12] Diabetes UK schreibt keine konkrete Kohlenhydratmenge vor, betont jedoch, dass stärkehaltige Lebensmittel wie Kartoffeln, Reis, Brot und Nudeln jeden Tag konsumiert werden sollten.[13]
Bei der NHS scheint jedoch ein Umdenken stattzufinden, da sie im Januar 2019 ein kohlenhydrat-reduziertes Ernährungsprogramm in die offiziellen Empfehlungen aufgenommen hat.[14],[15]
Amerikanische Diabetes Organisation
Die amerikanische Diabetes Organisation (American Diabetes Association) und das europäische Äquivalent, European Association for the Study of Diabetes (EASD) haben im September 2018 einen Konsensreport herausgebracht. In diesem Report wird betont, dass Übergewicht zu reduzieren bei Diabetes essenziell ist. Sie legen sich nicht auf eine konkrete Verteilung von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten fest, führen jedoch an, dass eine mediterrane, kohlenhydratarme Kost eine vielversprechende Option ist.[16]
Offizielle Ernährungsempfehlungen holen auf
Auch von offizieller Seite her wird mehr und mehr erkannt, dass eine kohlenhydratreduzierte Ernährung notwendig ist, um Diabetes und seine Folgeerkrankungen, wie Neuropathie, in den Griff zu bekommen. Deutschland hinkt in der Umsetzung dieser Empfehlungen im medizinischen Alltag hinterher, aber es besteht Hoffnung, dass auch dort in naher Zukunft ein Umdenken stattfindet.
Leider dauert es sehr lange, alteingefahrene Empfehlungen in der Praxis zu ändern. Angesichts der stetig steigenden Diabetesraten und der daraus resultierenden Komplikationen gilt es jedoch, keine unnötige Zeit zu verlieren.